Nicht immer ist der erste Eindruck richtig

Böser Hund, oder doch nicht?!

Böser Hund – leicht erkennbar – oder ist es vielleicht auf den zweiten Blick ganz anders als es scheint?

Ein Hund, der bellt ist böse.
Ein Hund, der knurrt ist aggressiv.
Ein Hund, der Zähne zeigt ist hochgefährlich.

Oder?!
Hunde, die böse aussehen – müssen einfach automatisch böse sein, oder?!


Es ist kein herausragend schönes Bild. Es hat nicht den perfekten Fokus. Der Bildausschnitt passt auch nicht wirklich. Und trotzdem oder gerade deshalb ist es so perfekt. Es ist ein Schnappschuss. Ein Schnappschuss, der einen angeblich super aggressiven Hund zeigt. Einen Hund, der ja „auf die Menschheit gar nicht losgelassen werden sollte“ und ja, dass habe ich tatsächlich schon mehr als einmal gehört! Einen Hund, der laut manchen keine zweite Chance verdient hat.

aggressiver Hund

Man sieht Lemmy, die Ohren in entspannter Haltung, der Schwanz locker flockig in seiner normalen Position und siehe da, er steht neben einem anderen Hund. Dieser Hund wohnt bei uns im Dorf auf einem Bauernhof und ist so ein richtiger Dorfhund. Er liegt manchmal hier, manchmal dort auf dem Hof und wenn er weit genug vorne liegt, dann versucht Lemmy ihn mit all seinem Charme herzulocken. Wieso genau und vor allem wie genau Lemmy sich seine „Freunde“ aussucht habe ich selbst nach 5 Jahren noch nicht genau herausgefunden.
Er mag nordische Rassen und Hunde, die „richtig“ kommunizieren (können).
Sprich mit Hunden, die in ihrer Kommunikation behindert sind, sei es jetzt durch Haare im Gesicht und vor allem vor den Augen, Schlappohren, oder einer zerknautschten Schnauze, kommt er oftmals nicht (sofort) klar.

Vom ersten Eindruck und vielen weiteren Eindrücken

Wie auch beim Menschen, sollte man Hunde nicht nach ihrem ersten Eindruck sofort in irgendwelche Kisten packen. Man weiß ja gar nicht, wieso das Individuum in dieser gewissen Situation so reagiert, wie es reagiert.
Und ich gebe zu, auch ich muss mir das immer wieder in den Kopf rufen und das obwohl ich ja auch einen Hund der besonderen Spezies habe.
Aber wie schnell wertet man, nur weil der Hund sofort „ausrastet“, wenn er einen an der Ecke sieht, oder weil er mit Maulkorb unterwegs ist oder, oder, oder.
Wir haben gelernt schnell zu urteilen und Situationen schnell einzuordnen. Das ist vielleicht manchmal von Vorteil (Autofahren und ähnliches), aber in Situationen, die tiefer analysiert werden sollten, ist es einfach Quatsch.
Ich für meinen Teil weiß zum Beispiel, wieso Lemmy bei gewissen Hunden ausrastet, selbst wenn er sie nur bellen hört. Es sind diese Hunde, die gerne mal in uns reindonnern, wenn wir Gassi sind.
Diese Hunde kann Lemmy nicht mal hören ohne auch nur angespannt zu werden.

Aber ist Lemmy nur wegen seinem Verhalten automatisch ein schlechter Hund?
Wieso ist ein Hund, der speziell ist schlecht?
Wieso muss ein Hund immer still und am besten unsichtbar sein?

Über die verbotene Kommunikation von Hunden habe ich ja bereits geschrieben. Genau dieses Verbot und die Haltung der meisten Menschen ist es, was uns Hundehaltern mit verhaltensoriginellen Hunden das Leben schwerer macht. Denn nichts ist anstrengender, als ein Hundehalter, dem man versucht aus dem Weg zu gehen, der sich aber einen Spaß daraus macht einen zu verfolgen, weil ja der eigenen Hund so brav ist und meiner „durchdreht“.

blick

Ist der ein böser Hund wirklich böse?

Vielleicht sollten wir uns mal an die eigene Nase packen und nicht immer alles auf den ersten Eindruck legen. Jeder Hund und auch jeder Mensch hat es verdient, dass man ihn respektiert in seiner eigenen Art und Weise.
Und vielleicht sieht man dann – mit dem zweiten Blick oder einfach einem genauerem Blick – so tolle Situationen wie auf oben gezeigtem Bild, denn nicht jeder Hund, der vorgibt alles und jeden zu hassen tut dies auch. Oftmals steckt dahinter eine Geschichte, Momente in denen der jeweilige Hund Angst oder Schmerzen hatte. Solche Situationen sind tief verwurzelt. Manchmal schafft man es, dem Hund zu helfen seine Angst komplett zu überwinden und manchmal schafft man es eben nicht. Nicht alles lässt sich „wegtrainieren“, auch wenn das so manch ein „Experte“ einem wahr machen möchte. Manchmal ist es so, dass der seelische Schmerz und die Angst so tief sitzen, dass man sie eben nicht wegtrainiert bekommt und dann muss man sich damit als Hundehalter auseinandersetzen und herausfinden, wie man seinen Hund in kritischen oder für ihn unangenehmen Situationen unterstützen kann.
So ist es auch bei Lemmy. Er vertraut nicht jedem, ist erstmal kritisch und hinterfragt Fremde. Genauso mag er nicht (sofort) jeden Hund, aber es gibt eben auch Ausnahmen, wie diesen Dorfhund. Es hat viel Zeit, Tränen und auch Schmerzen gekostet, bis wir Lemmy komplett verstanden haben. Es war kein einfacher Weg, aber es war ein Weg, den wir gehen mussten und der uns unglaublich viel gelehrt hat.


Was mir wichtig ist:
[su_heading size=“20″ margin=“40″]Nur weil Lemmy und viele andere Hunde auch vorsichtig sind, auf den ersten Blick aggressiv wirken, vielleicht verzweifelt sind, sollte man sie und ihre Hundehalter nicht sofort verurteilen.[/su_heading]


Vor über einem Jahr habe ich einen „Brief“ an all die Hundehalter geschrieben, die eben nicht mit einem speziellen Hund leben, vielleicht möchtest Du diesen auch mal durchlesen.

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About Anna

Ich bin ein kreativer Chaot, liebe das Schreiben, aber noch mehr die gemeinsame Zeit mit meinen Hunden. Da meine beiden Hunden alles andere als leicht sind - jeder auf seine ganz persönliche Art - wollte ich mit Canistecture einen Ort schaffen an dem ich alle Seiten des Hundehalterlebens zeige. Die Schönen, genauso wie die weniger schönen. Genau diesen Ort habe ich mit Canistecture geschaffen.

6 comments / Add your comment below

  1. böse Hunde /Tiere gibt es nicht, nur böse Menschen. Man soll die Tiere nicht so vermenschlichen. Wenn Hunde knurren oder bellen, ist das oft eine ganz normale Kommunikation, Hunde-Kommunikation. Es ist so so traurig, dass viele Menschen lieber Fremdsprachen wie Englisch, Spanisch etc lernen, als die Sprache ihrer Tiere… Wenn meine Polly knurrt oder ihre Zähne zeigt, einfach weil sie mehr Abstand braucht, der andere Hund versteht es, der Besitzer sagt “ oh Mann, die meint es ernst“.. mich kotzt das langsam so an.. wir haben schon Hunde getroffen, die schnüffeln neugierig und wenn es ihnen zu eng wird oder sie Angst haben, dann beißen sie gleich richtig zu, anstatt erst einmal vorzuwarnen , durch bellen oder knurren, Zähne zeigen . Meine Hündin hat durch die HuTa o Glück die Sprache gelernt, wie ein Mops oder ein Hund mit Schlappohren kommunizieren. Sie hat ihre Leinenaggression überwunden, auch weil ich anders geworden bin, ruhiger eben. Deine Hunde sind toll, lass dir von niemanden etwas anderes sagen!

  2. Dieser Post ist mir wie aus der Seele geschrieben!
    Aoki ist ja, aufgrund der Tatsache, dass er sein erstes Lebensjahr ganz ohne Hundekontakt verbracht hat, recht eigen was Hundebegegnungen angeht. Und ich schreibe hier bewusst „eigen“ und nicht schwierig oder böse. Deine Bezeichnung „verhaltensoriginell“ gefällt mir aber auch sehr gut ;)
    Wenn wir also mal auf andere Hunde treffen, ist es bei ihm fast immer so, dass er erstmal knurrt bzw. brummt. Von den meisten Hundehaltern kommt dann natürlich sofort „Oh Gott, der ist aggressiv, nehmen Sie den bitte weg!“
    Dass er das Ganze aus reiner Unsicherheit macht, wollen mir die meisten gar nicht erst glauben und es werden mir sofort Ratschläge oder Vorwürfe an den Kopf geworfen. Natürlich habe ich aber auch nicht immer Zeit geschweige denn Lust, jedem die gesamte Hintergrund-Geschichte meines Hundes zu erklären.

    Ich muss auch gestehen, dass ich früher oft selbst sehr schnell über Hunde und deren Halter geurteilt habe. Doch seitdem Aoki bei mir ist, kann ich viel mehr nachvollziehen wie es ist, einen Hund zu haben der auf gewisse Situationen eben speziell reagiert.

    Ein wirklich toller Artikel jedenfalls!

  3. Kenne ich nur zu gut. Meine Dicke bellt grundsätzlich scheinbar aggressiv wenn sie andere Hunde sieht und meint damit tatsächlich nur „Hallo. Wer bist du? Ich freu mich!“ Sie hat es einfach falsch gelernt. Wieso&Warum, tut jetzt aber nix zur Sache. Finds halt nur immer schade wenn andere Hundehalter deswegen die Strassenseite wechseln und meine Süsse mich dann enttäuscht&traurig anschaut und am Rest des Spaziergangs gar keine Freude mehr hat. Ich möchte anderen Haltern da eigentlich auch gar keinen Vorwurf machen. Ich würde meinen Hund auch in Sicherheit bringen bevor etwas passiert, aber man kann halt weder in Mensch noch Tier reinschauen.

    1. Kopf hoch,ich würde mit meiner Sandy nicht die Strassenseite wechseln,ich kenne das Verhalten von anderen Hunden auch,Sandy geht damit ganz gelassen um und wenn sie dazu gelaunt ist,meckert sie halt mit und begrüßt ,wenn erlaubt,jeden Hund.

  4. Super geschrieben.
    Wir kämpfen täglich mit dem Vorurteil „Böser Hund“, da wir einen Dobermann haben, dazu noch ein schwarzen, aber zum Glück keinen kupierten, dann wäre es wahrscheinlich noch schlimmer.
    Wieviele Hundehalter die beim Gassigehen entgegen kommen, wenn sie dann den Dobermann identifiziert haben, schlagartig umdrehen, wieviele Menschen die die Straßenseite wechseln, wenn der „böse Dobermann“ entgegen kommt. Ja wir kennen den „ersten Blick und das sofortige Vorurteil“.

    Unser Rüde ist total verspielt, super verschmust und wurde als Welpe von jedem und allem angestatscht, die Leute haben die Straßenseite zu uns gewechselt, die entgegenkommenden Hundehalter, haben ihr Tempo beschleunig und wollten unbedingt ihren Hund mit dem süßen Welpe / junghund spielen lassen, aber sobald man gesehen hat, was er war, hat sich das Blatt um 180 Grad gedreht.

    Wir haben angefangen, damit zu leben :) nur das traurige an der ganzen Geschichte ist, der Hund versteht nicht, warum Spielkameraden von damals, weitergezerrt werden, warum die Frau die ihn früher immer herzlich begrüßt hat, einen großen Bogen um ihn macht. Er schaut dann nur enttäuscht hinterher. Statt viele Spielkameraden, hat er jetzt noch eine Handvoll. Dank dem netten „Vorurteil“.

    Das schlimmste was wir bisher erlebt haben, war eine Begegnung mit einem älteren Herr und seinem Hund, dieser brüllte auf gleicher Höhe, winkelte sein Bein dabei an, um zu einem Tritt auszuholen, nehmen Sie das Monster sofort so kurz wie möglich, so ein Biest hat meinen schon mal Halbtot gebissen, sonst trete ich ihn. Auf die Frage, was er den meint was das für eine Rasse Monster sei, kam keine Antwort.

    Finde ich toll, das du diesen toll formulierten Text verfasst hast. Spricht mir aus der Seele.

    Danke

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